Kroatien

 

Bis Dubrovnik ist es nicht weit. Ein Zeltplatz in Kupari vor den Toren der Stadt bietet sich an, Bushaltestelle und Supermarkt in der Nähe. Alles super. Nach einer Weile knattert die weiße Guzzi aufs Gelände. Der Niederländer Johan reist zwei Monate durch Europa, Frankreich, Italien, Griechenland, ex-Jugoslawien, Rumänien. Aha, du warst das also. Zusammen gehen wir Fußball CRO vs RUS gucken, in der Nähe, in einer Art Späti, wo sie draußen eine Leinwand vor ein paar Stühlen aufgebaut haben. Eher ein Familien- und Nachbarschaftshappening. Wir dürfen zwar dabei sein, werden jedoch nicht in ihre Feierlaune einbezogen.

 

08.07.

Dritter Day Off. Nach Dubrovnik per Bus. Vom Hafengelände am anderen Ende Richtung berühmter Altstadt gelaufen, vorbei an vielen edlen alten und nagelneuen Villen sowie diversem Jugosoz. Altstadt ist, wider Erwarten, nicht sonderlich überlaufen. Begehung der Stadtmauer kostet – 150 Kuna, also etwa 20 Euro, Option abgewählt. Dafür kreuz und quer durch die Gassen gelaufen, auch an eine Stelle bergauf kurz unterhalb der Krone der Stadtmauer. Damit wäre der Eindruck eines Mauerspaziergangs hinreichend simuliert, akribische äußerliche Betrachtung sakraler und profaner Architektur anstatt. Dubrovnik wurde von Montenegrinern und Serben in Schutt und Asche gelegt, davon ist heute nichts mehr zu sehen, aber ein Galeriebetreiber hat die Zerstörungen dokumentiert. Viele Game-Of-Thrones- sowie Schlipsläden – die Krawatte wurde ja in Kroatien erfunden. Abends um 8 – Wolkenbruch, danach bleibt es drückend schwül bis in die Nacht. Die Mücken vom Vortag sind aber komplett verschwunden

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09.07.

Die malerische Halbinsel Pelješac ist das Ziel. Ursprünglicher Plan: Zelt in der Mitte der Halbinsel aufschlagen und von dort Ausflüge zu unternehmen. Žuljana wäre der perfekte Ort, doch das Camping ist wenig einladend. Grummliger Chef, zu viele Caravans, bewohnt von finsteren Gesellen, Steinboden. Also zurück. 60 km umsonst gefahren, die Konzentration lässt nach, der Schutzengel übernimmt: Ein blöder Arsch überholt in einer Kurve und nimmt mich fast frontal auf seine Hörner. Später stelle ich fest, dass sich ein Spannriemen gelöst hatte und gefährlich in der Nähe des rotierenden Hinterrades nebst Kette vor sich hin baumelte. Halleluja.

Dafür ist das Camping in Prapratno eine große Sache, nicht wirklich klein und lauschig, aber nicht zu voll, und angrenzend eine kleine Bucht, wie nur für uns gemacht.

 

10.07.

Vierter Day Off. Nix tun. Baden in der Adria, brutzeln in der Sonne, lesen. Leichte Nostalgie nach sozialistischem Badeurlaub, damals, mit Eltern, am Schwarzen Meer. Im Resto recht preiswert essen, mit den netten Verkäuferinnen im Laden flirten, abends Fassbier trinken.

 

Apropos Fassbier: Hier fällt ziemlich heftig auf, dass ordentlich gesoffen wird, und das sind nicht nur die arbeitslosen mittelalten einheimischen Männer. Schon um halb zehn morgens sind die Tische mit Bierhumpen vollgestellt, deren Inhalt kontinuierlich ohne Pause in die Kehlen der dazugehörigen Urlauber fließt; da nehmen sich Deutsche, Tschechen, Russen, Kroaten nicht viel.  

 

Ston.
Ston.
Nin. Fürst Branimir, Herrscher von Dalmatien und Katholisator Kroatiens, vor den Mauern der Stadt.
Nin. Fürst Branimir, Herrscher von Dalmatien und Katholisator Kroatiens, vor den Mauern der Stadt.

11.07.

Ausflug nach Ston, eine Doppelstadt und mittelalterliche Garnison, deren Teile durch eine kilometerlange Mauer verbunden sind. Trotz Touriflair ist alles reichlich verpennt. In den Gassen weiter weg vom Zentrum haben die Einwohner teilweise ihre Haustüren auf, zwecks Durchzug, und man kann vorsichtig reinschauen und ihre Wohnungseinrichtung bewundern. Die Stadtmauer kostet hier nur 10€, Option wieder abgewählt. In einer Galerie hängen Unmengen von Bildern, zumeist mit Landschaftsmotiven. Der Maler ist an die Siebzig, langhaarig, alter Hippie halt, Franzose, der schon seit vielen Jahren in Ston mit seiner kroatischen Frau, ebenfalls Malerin, lebt. Wir labern etwas und kommen u.a. darüber überein, dass die digitale Smartphone-Welt von heute uns leicht fremd geworden ist. Mali Ston, die kleinere Schwesterstadt, hat weniger Geld gesehen, vieles verharrt noch in einem Zustand des romantischen Verfalls.

 

12.07.

Weiter gen Norden. Um erneute Grenzformalitäten zu vermeiden, dort, wo die "Dubrovnik-Exklave" durch Bosnien-Herzegowina auf einem schmalen Korridor um Neum abgetrennt wird, bietet sich die Fähre von Trpanj auf der Halbinsel nach Ploče auf dem Festland an. Danach an Split vorbei durch die Berge, hier verfahren, dort Straße gesperrt, aber was soll's, schön war es trotzdem, und leer. Recht spät, gegen 20h45, Primošten erreicht, laut Karten Tausende Campings. Doch ach, überall nur Kiesboden. Das kleine Einbogen-Zelt will partout nicht halten, weder mit Heringen noch mit den vom Chef geliehenen riesigen Nägeln aus dem Baumarkt. Ist eben doch eher für Wohnwagen gedacht. Notquartier in einem Appartementkomplex bezogen, der sich interessant mittels Treppen eschermäßig über mehrere Ebenen erstreckt. Laune – im Keller.

Zu allem Überfluss wünsche ich einem netten polnischen Pärchen einen schönen Abend, worauf ich von ihm sofort missioniert werde. Wir kommen grade vom Sonnenuntergang und haben gebetet, Jesus ist für unsere Sünden gestorben, auch für deine. Wende dich Jesus zu, und all deinen Probleme verschwinden. Und dass du uns Guten Abend gesagt hast, ist kein Zufall, sondern ein Zeichen, dass du bereit bist, dem Heiland zu folgen. Sie kicherte etwas verlegen, aber er predigte weiter, und sie musste ins Englische übersetzen. Für irgendwelche theologischen Dispute war ich nicht zu gebrauchen und ließ ihn reden, bin ja höflich. Später, als sie gingen, beginnen auch noch irgendwelche betüddelten Nachbarn schlecht Akkordeon zu spielen und ganz dolle laut und ganz dolle falsch zu singen. Auch wenn es Volkslieder gewesen sein dürften, und Kultur, und Landeskunde – nein! Ganz schlecht! Argh!!!

 

Fr.13.07.

Stimmung – immer noch saumäßig. Völlig verkrampfte Tagesplanung, heißt: Wir suchen sofort eine Übernachtungsmöglichkeit. Nördlich von Zadar bereits um 15 Uhr eine gefunden, ein riesiger Campingplatz, dank Laune als seelenlos und abzockerisch empfunden. Im Nachgang betrachtet war es natürlich gar so übel. Doch die Preisliste ist schon sehr verworren, die Stellplatzordnung nach einem Drei-Stände-System organisiert und vieles kostet ordentlich extra.

Viele Schweden und Deutsche. Befremdlich die vielen mobilen Satellitenschüsseln vor den Hauszelten oder Caravans. Ich glaube so langsam, trotz auch vieler guter Erfahrungen, dass mich dieser Autocamp-Irrsinn immer mehr abtörnt und einer, der freiwillig in einem Mini-Zelt ohne jeglichen Komfort zu übernachten pflegt, sich dessen eigentlich entziehen sollte. Da fahren Leute aus allen Ländern in teuren rollenden Häusern den Urlaub, bauen teure Ausrüstung auf, um eigentlich doch zu Hause zu bleiben, mit Glotze, Kühlschrank und Waschmaschine... Vielleicht lasse ich das Zelt nächstes Mal einfach zu Hause und miete nur noch Hütten oder Ein- oder Zwei-Stern-Buden. Unterm Strich wird das vielleicht nicht mal so viel teurer, und man ist womöglich „näher dran an den Leuten“, als in einem Camping-Ghetto. 

Gegen sechs ab zur Strandbar, und gemächlich, dabei den Paracelsus-Schmöker von Rosemarie Schuder lesend, dem Sonnenuntergang entgegengepichelt. Hat die therapeutische Wirkung gegen den Camping-Koller eines Lonesome Riders jedenfalls nicht verfehlt.

... und einen griechischen gibt's auch
... und einen griechischen gibt's auch

14.07.

Welch schöner Morgen! Was für ein schöner Tag verspricht es zu werden! Pflichtgemäß kurzer Abstecher nach Zadar, aber die Jugosoz-Viertel ziehen sich hin, kehrt Marsch und raus aus der Stadt, via Islam Latinski auf der Jadranska Magistrala immer geradeaus. In Starigrad verbirgt sich ein lauschiger kleiner Zeltplatz – wäre ich doch gestern gleich dorthin! Nahe der Rezeption befindet sich die Verwaltung des Nationalparks Paklenica – ein anderes Thema, ein anders Mal. Gelegenheit genutzt und nochmal in die Adria gesprungen, glasklares Wasser, himmlisch, danach Käffchen und Kuchen.

Der allerschönste Abschnitt der Magistrale folgt jetzt: Links das Meer und die unzähligen Inseln und Inselchen, rechts die Berge. Von hinten bescheint die Sonne die Szenerie. Serpentinen ohne Ende, aber kaum tückische Spitzkehren. Die Straße schraubt sich in Höhen, wo der Ausblick noch gigantischer wird und die Hitze nachlässt. Und – keiner unterwegs! Magische Bikermomente...

 

Der Versuch, die Küstenstraße via Berge des Velebit Richtung Binnenland zu verlassen, scheitert nach 20 km an erneut einsetzendem Schotter. Das war bestimmt Fügung, würde der polnische Bibelfreund sagen. Der Zeitpunkt des Abschieds von der Adria ist wohl noch nicht gekommen. Aber die 40 Kilometer sind diesmal nicht als verschwendet empfunden. Die Landschaft in und das Panorama aus über 700 m.ü.M. sind einfach zu atemberaubend.

Abends Ankunft in Senj (dt.: Zengg). Kleines Hotel am Hafen gesichtet und bezogen. Ein erster Spaziergang durch die verwinkelten Gassen. Touristen und einheimische teilen sich friedlich das Terrain. Am Kulturhaus erklingt professioneller Satzgesang. Es probt ein achtköpfiges a-capella-Männerensemble für den Auftritt am Abend – es findet zum 45. Mal der Klapa-Wettstreit statt. Für 20 Kuna, knapp drei Euro, ist man dabei. 11 Kollektive, Männer, Frauen und gemischt, singen mehrstimmige kroatische Volks- und Kunstlieder. Auf der Bühne stehen jung und alt zusammen. Der Platz ist voller Zuschauer, davon Touristen – so gut wie keine. Das Abschlusslied singen alle Sänger und das Publikum zusammen, wohl ein in Kroatien sehr populäres Lied. Sehr ergreifend. Schade, dass in Deutschland diese Art von Brauchtumspflege immer leicht kontaminiert zu sein scheint und eher belächelt wird.

 

15.07.

Fünfter Day Off. Besuch der Nehaj-Burg und des darin befindlichen Museums. Im 16. Jahrhundert lag Senj im Grenzgebiet zwischen Osmanischem und Habsburgischem Imperium, und vertriebene Kroaten und andere Slawen aus dem türkisch besetzten Teil, Uskoken (etwa: die Entsprungenen) genannt, verdingten sich als eine Art Wehrbauern im Kampf gegen die Türken, wurden allerdings von den Habsburgern regelmäßig übers Ohr gehauen und standen oft ohne Sold da. Natürlich gibt es auch in Senj einen kleinen Markt – preiswerter Einkauf von Wassermelone und diversem anderen Obst. Danach am Strand abgegammelt. Es wird schwül, Wind kommt auf, ein Micro-Bora.

 

Senj. Promenade.
Senj. Promenade.

Die Stadt kocht schon weit vor dem Anstoß zum WM-Finale CRO vs. FRA. Alle Läden machen dicht, auch die großen Shopping Malls, darauf weist sogar die landesweite Fernsehwerbung, in diesem Fall von Kaufland, hin. Überall rotweiße Karos, hunderte Modrics und Rakitics bevölkern die Straßen. Auch nach der Niederlage bleibt es heiter und es wird ordentlich gefeiert, in den Touristen-Restaurants etwas weniger, in den Kneipen der Einheimischen etwas mehr.

Was wäre, hätten die Kroaten gewonnen? Ähnlich wäre das, wir sind froh, es überhaupt so weit geschafft zu haben. Und was wäre, wenn Serbien an eurer Statt im Finale stünde - die Schotten würden ja nie England „supporten“, und das ohne einen Krieg vor 25 Jahren? Ach, wir vielleicht schon.

16.07.

 

Der Weg nach Slowenien führt durch leere Straßen dritter Ordnung und verpennte Nester, solche wie Brod Na Kupi, parallel zur Grenze verläuft der Fluss Kolpa. Auf slowenischer Seite sieht man den Zaun gegen illegale Migration. An der Grenze der beiden EU-Länder stehen zwar Beamte, aber lassen sich nicht durch den ankommenden Moppedtreiber in ihrem Gespräch stören.