Nationaltheater Subotica
Nationaltheater Subotica

 

Serbien.

 

28.06.

Das Geldabheben in Subotica scheitert an der Nichtkompatibilität des V-Pay-Systems mit den dortigen Systemen, das auch an Automaten hierzulande bekannter Banken, wie Raiffeisen oder Die Erste, einem Ableger des österreichischen Sparkassenimperiums. Also Bares gegen Bares gewechselt, zunächst nur 80€. Doch man kommt, wie sich herausstellen wird, recht weit damit in Serbien.

 

Subotica ist eine schöne Stadt, zunächst erinnert hier vieles mehr an „k. u. k.“ als an „Jugoslawien“. Viele Gebäude sind im Wiener Sezessionsstil erbaut, darunter die Synagoge, eine architektonische Perle. Und doch ist schnell zu merken, dass Serbien wesentlich weniger wohlhabend ist, als die neuen EU-Länder Tschechien, Slowakei oder Ungarn. Man nehme den Fuhrpark – weniger Breitarsch, dafür mehr gebrauchte 90er Jahre Mittelklasse Typ Passat. Immer noch massig Zastavas, Ladas und Yugos – viele davon mit robusten Dachträgern, was sie als Alltagslasttiere ausweist. Und schon gestaltet sich der Verkehr, wider Erwarten übrigens, als wesentlich entspannter.

Bei Feketić gibt es einen Zeltplatz, der eher wie ein leicht schraddliges Provisorium daherkommt. Aber das Zelten ist hier auch nur Nebensache, denn eigentlich ist das ein Tennisplatz mit etwas Wiese drumrum, einigen Elektroanschlüssen und einem kleinen Sanitärtrakt. Für einen verwöhnten ADAC-ASCI-Camper wahrscheinlich etwas zu schlicht, aber es funktioniert alles und ist sehr preiswert. Derweil scheucht ein rüstiger Mittfünfziger auf dem Court seine Tennisschüler von 6 bis 16 und schimpft mit ihnen abwechselnd, je nach Schüler, serbisch oder ungarisch.

 

Der Landstrich in Nordserbien heißt Vojvodina, welcher einen weitreichenden Autonomiestatus genießt, und hier gibt es eine starke ungarische Minderheit. Auch die Betreiber des Motel-Camping-Tennis-Komplexes sprechen ungarisch miteinander, wir hingegen verständigen uns auf einem russisch-jugoslawischen Kauderwelsch ohne größere Probleme. Ein Abstecher in die Kreisstadt Vrbas, ein mittelgroßes Städtchen, und es mutet, anders als Subotica, schon eher osteuropäisch an – sehr viel altersschwache Vorkriegsbausubstanz, etwas heruntergekommene sozialistische Architektur, in meinem privaten Jargon nunmehr als „Jugosoz“ bezeichnet. Orthodoxe Kirchen, eine davon befindet sich im Neubau. Ein Markt, wie es ihn auch in Liepāja, Twer oder Charkow gibt. Omas handeln direkt auf dem Bürgersteig mit Obst und Gemüse. Man darf so gut wie überall rauchen; Aschenbecher werden einem ungefragt hingestellt, und die Zigarettenschachteln haben noch keine dieser Bildchen drauf. 

 

Auf der Rückkehr, fünf Sekunden vor Feketić springt der Tacho des CB500 auf 60000. Seit 2015 und etwa 33000 Kilometer sind wir nun „zusammen“. Minuten später öffnet der Himmel seine Schleusen. Nach einem leckeren Ćevapčići-mit-“Liberty Fries“-Abendmahl ab ins nasse Zelt. Trotz äußerster Vorsicht beim Einsteigen ins Zelt kommen Unmengen Schlamm mit hinein. Naja, gehört wohl mit dazu zum Zelten. Ärgerlich hingegen die unendlichen Heerscharen von Mücken, die jede noch so kleine Ritze in Moskitonetz und Reißverschlüssen finden und sich bei mir blutsaugend aufwärmen wollen, denn es dürften kaum 12° sein. Nun ja, man hätte ja auch das Motelzimmer nehmen können, das wäre auch nicht sehr teuer gewesen. Aber unsportlich! 

 

29.06.

Früh um fünf ist die Nacht wegen Mücken und Kälte und Nässe zu Ende. Aber eine heiße Dusche ist noch drin, danach geht’s südwärts. Überall steht Autoput E75 ausgeschildert, aber mit dem Autoput der 70er hat die Straße nichts zu tun. Obwohl - auch sie ist teilweise schnurgerade, und teilweise auch bestehend aus Betonplatten, und man kann sich schon lebhaft vorstellen, wie es einst auf jener überfüllten Piste ausgesehen haben muss. Der Himmel ist wasserschwer, doch durch ein kleines Loch in den Wolken lässt sich der blaue Himmel blicken. Die Wolken ziehen schnell, und es gilt, mit diesem Wolkenloch synchron zu fahren, um dem Regen ein Schnippchen zu schlagen.

Und so ziehen wir beide, das Wolkenloch und ich, nach Novi Sad, der Hauptstadt Vojvodinas. Dort am Stadtrand gibt es das Hoteldorf „Drevna“, das ausschließlich aus Holzhäusern besteht, die entweder komplett oder zimmerweise bezogen werden können. Genau richtig, um alles einmal zum Trocknen aufzuhängen, und nach einem komatösen Vormittagsschlaf geht es per Trolleybus in die Stadt. Doch lange hält die Erkundungstour nicht an, denn schon ab 16 Uhr beginnt ein Unwetter, was sich gewaschen hat. Die Bushaltestelle liegt etwas um die zwei Kilometer von Drevna entfernt, und völlig durchnässt und zähneklappernd geht’s nach einer erneuten Dusche in die Gaststätte. Es ist leer, im Fernsehen läuft der in Babelsberg gedrehte leicht schnulzige Schinken über das Duell zweier Scharfschützen in Stalingrad. Die Kellner am Tresen sind nicht unfreundlich, aber etwas maulfaul, und so wird via Stalingradfilm das serbische Vokabular etwas erweitert. Und draußen schifft es Hunde & Katzen.

30.06.

Da ich keine Eier mag und Omelette somit ausfällt, gibt es zum Frühstück gekochte Würstchen mit... Quark. Geht gut! Dazu Kaffee und Toast und los kann es gehen, denn die Sonne ist wieder da, quer durch die Vojvodina, zumindest ihren nördlichen Teil. Der südöstliche, an Rumänien grenzende, ist landschaftlich wohl sehr interessant, laut Reiseführer, aber das ist dann Thema für ein nächstes Mal.

 

In der Nähe von Kać wird an einem Neubau eines serbisch-orthodoxen Klosters gewerkelt. Die Kreuze der Hauptbasilika sind sogar noch in Plastikfolie verpackt. Dabei, so erzählt eine ansässige Nonne, gibt es dieses Objekt schon seit 2007, doch jetzt wird die nächste Stufe des Ausbaus gezündet. Umwerfend sind die Mosaiken. Wenn man Mosaiken aus dem Mittelalter gesehen hat, in Griechenland oder in Venedig beispielsweise, auch wenn sie restauriert sind – die gleißenden, leuchtenden Farben eines neu angelegten Mosaiks sind unvergleichlich.

 

Die Landschaft selbst, die Pannonische Tiefebene, ist, wie der Name sagt, eigentlich die Fortsetzung der ungarischen Puszta: topfeben, karg, grün-blau-gelb-violett. In einem Dorfladen Kauf von 2 Liter Mineralwasser Knjaz Miloš und etwas zu Beißen. Ein Bauer hört, dass mein Kauderwelsch zu 80% aus Russisch besteht: „Rusia? Ti brat!“ - „Russland? Du bist ein Bruder!“ Dann will er mich zum Schnaps einladen, doch das muss ich, weil motorisiert und es noch viel zu früh dafür ist, ablehnen. Diese Erfahrung werde ich in Serbien (und später in der Republika Srpska) noch öfter machen.

 

Zrenjanin ist ziemlich kaputt. Viele Gebäude der Neustadt sind verlassen. Andere, vor allem in der autofreien Altstadt, aufwändig saniert. Überall mittendrin der unvermeidliche „Jugosoz“. Die Stadt döst ihren Nachmittagsschlaf. Ein paar Läden haben geöffnet, und Cafés; es sitzen, wie so oft in Serbien (und später vor allem in Bosnien) mittelalte Männer vor vollen und leeren Bierflaschen. Eine Kapelle trötet Balkanmusikke vor dem Rathaus. Sie gehören zu einer Hochzeitsgesellschaft, die bald darauf erscheint.

 

Es geht weiter an Aradac vorbei, einem Weinbauerndorf. Doch keine Weinerei macht durch ein Schild auf sich aufmerksam. Es macht den Eindruck, dass alle Dörfer in der Vojvodina riesig sind, kilometerlang und kilometerbreit. In Belo Bloto probt in einem „Etno-Kuća“, einem Ethnohaus, eine Kindergruppe Volkslieder und Volkstänze. Ethnodörfer sind extra traditionell hergerichtete Bauernhäuser, manchmal mit einer Herberge, manchmal mit einem Museum versehen. Auf dem angrenzenden Grundstück steht die Dorfschule. Sie ist nicht verschlossen, obwohl Ferien sind. Drinnen röhrt irgendwo ein Staubsauger. Im Flur – viele Wandzeitungen und Collagen von Schülern verschiedener Klassenstufen zu diversen Themen: Der Westen der USA (englisch), unser glückloser DFB (deutsch), ungarische Traditionen in der Vojvodina (selbstredend Ungarisch) und vieles mehr. Scheint eine gute Schule zu sein, dort, am Ende der Welt, im Weißen Sumpf, wie das Dorf auf deutsch heißt, wo Kinder tatsächlich noch etwas zu lernen scheinen.

Zurück in Novi Sad bei einer Straßenhändlerin ein großes Achtel einer Lubenica, sprich: Wassermelone, Pflaumen und Äpfel erstanden, das ganze für knapp 2€. Das Einkaufszentrum der Stadt, BIG, aus purem Interesse durchstreift – das meiste sind bekannte Ketten, Boutiquen, aber auch genuin serbischer Einzelhandel. Der Hauptbahnhof ist ein repräsentativer modernistischer Bau, doch so gut wie tot. Fast alle Schalter zu, die Ladenzeile bis auf ein-zwei Kioske verwaist, das riesige Restaurant nur noch als Hülle existent.

 

01.07.

Weiter gen Süden: Variante A: Richtung Südwesten, nach Bosnien. Variante B: Richtung Südosten, nach Kraljevo und Studenica, der Wiege der serbischen Nation. Wetteronline sagt für „B“ eine geschlagene Woche „Land unter“ voraus, also auf nach „A“.

Das Ortsausgangsschild von Novi Sad ist viersprachig: serbisch, slowakisch, ungarisch und russinisch (eine Art ukrainisch). Soviel einmal mehr zum Thema anhaltende großserbische Unterdrückung von nationalen Minderheiten.

Slawische Sprachen sind ähnlich, aber eben nicht gleich, und es können lustige (oder auch üble) Missverständnisse entstehen. Was könnte es hier bloß sein?
Slawische Sprachen sind ähnlich, aber eben nicht gleich, und es können lustige (oder auch üble) Missverständnisse entstehen. Was könnte es hier bloß sein?

Die erste Station ist schnell erreicht: Die Burg Petrovaradin auf dem anderen Ufer der Theiß. Durch alte Wehranlagen, Tore und Stadtmauern geht es bis nach oben, und man fühlt sich auf dem Mopped wie ein Ritter auf seinem Pferd. Oben angekommen hat man einen guten Ausblick auf Novi Sad. Ein paar Souvenirbuden stehen da, aber kein Vergleich zu touristischen Hochburgen anderswo. Im Pallas gibt es eine Kunstausstellung und ein Museum. Auf der anderen Seite, in Mauergewölben, reihen sich Künstlerateliers aneinander. Einer der Künstler ist ein waschechter Hippie aus jener Zeit und stellt Holzreliefs her, die er mit fluoreszierenden Farben bearbeitet. Mit Schwarzlicht bestrahlt entstehen psychedelische Effekte.

 

Langsam zieht Nieselregen auf, und in der Grenzstadt Ljubovija heißt es Quartier zu beziehen, im Hotel „Drinska Lasta“ (Drina-Schwalbe). Das Personal besteht aus einem halben Dutzend leicht gelangweilt anmutender Damen zwischen 25 und 55, sie gammeln kettenrauchend in der Lobby ab, und so gestaltet sich die Schlüsselübergabe recht fix und wortkarg. Das Zimmer ist absolut in Ordnung.